Artikel: Jetzt ist (noch mehr) Demut gefragt

Führung. Sie hat nichts mit Unterwerfung zu tun, sondern mit Respekt.

Führungskräfte brauchen mehr Demut, sagen Martina Augl und Gerald Ebner-Kaplinger und zeigen, wie man sie erlangt.

Die Presse, 31 Oct 2020, VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Der Befund fällt nüchtern aus: „Führungskräfte brauchen mehr Demut“, sagen die beiden systemischen Organisationsberater Martina Augl und Gerald Ebner-Kaplinger. Sie meinen damit die Demut der Führungskräfte gegenüber der aktuellen Situation und damit einhergehend das Bewusstsein, dass „soziale Kälte, Halt- und Orientierungslosigkeit dazu führen, dass Mitarbeitern Motivation und Engagement abhanden kommen“ – und sie im Extremfall zu anderen Unternehmen abwandern.

Demut, räumt der deutsche Unternehmensberater Stefan Fourier ein, werde oft mit negativen Begriffen wie Erniedrigung, Blamage und Unterwürfigkeit, also Demütigung, assoziiert bzw. verwechselt. Dabei sei mit Demut Respekt gegenüber den Mitmenschen gemeint, schreibt er im Leaders Circle, als Fördern der Mitarbeiter und als „Zurückstellen eigener Wünsche im Interesse eines Projekts, eines Kunden oder derer, für die man Verantwortung übernommen hat“.

Das Ego zurückzunehmen, „Kontroll- und Machtverlust nicht nur zu akzeptieren, sondern zu wollen, und Mitarbeiter zu entwickeln und in Verantwortung zu bringen“, sei entscheidend, schreibt Management Coach Anke Houben in einem Kommentar für die „Welt“. Beim US-amerikanischen Technologiegiganten IBM führte man vor Jahren „Humbition“ als Prinzip ein, ein Kunstwort bestehend aus humility (Demut) und ambition (Ehrgeiz).

Ähnlich äußert sich der niederländische Managementberater Dirk Devos: Demut heiße für Führungskräfte zu erkennen, dass sie nur gut sein können, wenn auch ihr Team gut arbeite. Druck sei dabei kein probates Mittel.

Auch für Augl und Ebner-Kaplinger ist Demut zweierlei: Der Mut, eine Situation zu gestalten, und der Wille, die Ergebenheit gegenüber der aktuellen Situation anzuerkennen. „Damit ermöglicht sie Führungskräften, mit den disruptiven Veränderungen sowie den Widersprüchlichkeiten der aktuellen Zeit produktiv umzugehen.“ Die beiden destillierten einige Punkte, wie sich Demut stärken lässt:

Blick verändern: Organisationen sind keine Maschinen, sondern lebende und soziale Systeme. Es sind die Menschen, die arbeiten und für Ergebnisse sorgen. Führung bedeutet damit viel mehr, als Humanressourcen zu managen.

Kommunizieren: Das verlangt, transparent mit Emotionen, Fehlern, Ideen, (Un-)Wissen und Widersprüchen umzugehen. Emotionen Raum geben: Führungskräfte müssen einen als sicher empfundenen Rahmen für sich und ihre Mitarbeiter schaffen, in dem alle ihre Sorgen, Ängste, Ideen, Meinungen und Wünsche frei artikulieren dürfen. „Denn“, sagt Augl, „Emotionen haben eine Botschaft und nur mit dieser Botschaft kann man arbeiten.“

Autonomie fokussieren: Der Fokus auf Dinge, die nicht funktionieren, verstärkt Sorgen und Ängste und lässt die Produktivität sinken. „Stattdessen mit den Mitarbeitern Szenarien entwickeln, wie sie ihre Ziele erreichen können“, rät Ebner-Kaplinger. „Das gibt den Mitarbeitern Handlungsfähigkeit und Souveränität.“

Ressourcen nutzen: Wer vertraut und wem vertraut wird, ist bereit, sich zu öffnen. Viele Führungskräfte werden staunen, welche verborgenen Talente in ihren Mitarbeitern schlummern.

Wirksames verstärken: Die Coronasituation ist die Chance, Führung neu zu leben und aus den positiven Abweichungen zu lernen.

https://www.pressreader.com/austria/die-presse/20201031/282802128847864

Zu den Autoren

Gerald Ebner-Kaplinger und Martina Augl sind systemische Organisationsberater. Ebner-Kaplinger begleitet Unternehmen in deren Wachstums- und Veränderungsprozessen, Augl ist eine Vertreterin des wisssensorientierten Prozessmanagementansatzes

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